Stralsund ist nicht nur ein interessantes Reiseziel. Immer wieder verlieben sich Besucher in diese Perle an der Ostsee und denken über ein Bleiben nach. Mir ist es ähnlich ergangen, als ich 1993 das erste Mal nach Stralsund kam und mich als Architekt in die alten Häuser und als Segler in den Sund und die Ostsee verliebte.
Auf dieser Seite möchte ich Ihnen einige von mir geplante und bereits ausgeführte Objekte und Projekte in Arbeit oder Vorbereitung vorstellen. Bei dem Speicherhotel habe ich mich von der Idee leiten lassen, dass ich mich auch im Urlaub in Räumen wohlfühlen möchten, deren Gestaltungsanspruch dem der eigenen 4 Wänden entspricht oder vielleicht sogar noch Anregungen gibt.
Joachim Geiling, Architekt Dipl. Ing.
1628 belagerte Wallenstein die Stadt. Die Stralsunder zogen die Herrschaft der Schweden der Besetzung durch die Katholischen vor und Stralsund geriet für 181 Jahre unter schwedische Herrschaft bis französische Truppen 1807 die Stadt einnahmen. Dieser Zeit verdankt Stralsund 2 bedeutende Dokumente, den "Staudeplan", ein Luftbild, das jedes einzelne Gebäude darstellt und die "schwedischen Matrikel", eine zur Besteuerung aufgestellte detaillierte Erfassung aller Stralsunder Häuser.
Hierin wurden die Wohn- und Arbeitsstätten eingeteilt in Häuser (Giebel- und Kaufmannhäuser), Buden (kleinere Gebäude des Mittelstandes) und Keller (Keller und Wohnverschläge zu ebener Erde für Tagelöhner etc.) Zu den Buden zählte auch das Gebäude Külpstr. 9, in dem u.A. ein Steuereintreiber wohnte.
Das Haus hat einen der ältesten Dachstühle Stralsunds. Es war mir wichtig, die Optik der Fenster zu erhalten indem ich in die intakten barocken Fensterstöcken neue isolierverglaste Flügel mit den alten Profilmaßen einbauen ließ.
das denkmalgeschützte, traufenständige Barockhaus Külpstraße 6 wurde 1794 in den Mauern eines gotischen Giebelhauses errichtet und 2004/05 grundlegend und liebevoll mit sichtbarem Fachwerk instandgesetzt und modernisiert.Es hat die fensterreichste Straßenfassade aller Altbauten Stralsunds und blinkt unter Sonneneinstrahlung wie ein Kristall, weshalb ich mich auf den ersten Blick in das Haus verliebte.
Es beherbergt jetzt 6 Eigentumswohnungen.
Als ich nach der ersten Besichtigung des Hauses aus der Vordertür auf die Straße trat, trat gleichzeitig ein mir bekannter Makler aus der Tür des gegenüberliegenden Hauses, der Külpstr. 9 und da fiel mir meine 2mal in Hamburg gemachte Erfahrung ein, dass ich in ein von mir saniertes Haus eingezogen war, aus dem Fenster auf die andere Straßenseite und damit auf Plastikfenster und andere Bausünden sah. Das sollte mir nicht nochmal passieren, weshalb ich mich bemühte, beide Häuser zu sanieren.
Die Giebelhäuser Frankenstraße 31-33 sind Teil der längsten, noch stehenden Giebelhauszeile Stralunds. Ich entwickelte ein Projekt über alle 3 Häuser und nach 3 Jahren Verhandlungs- und Überzeugungsarbeit konnte die von mir mitgegründete Wohnungsbaugenossenschaft Frankenstraße mit dem Bau der 28 Eigentumswohnungen beginnen.
Da die engstehenden Kemläden (Hintergebäude der Giebelhäuser) der 32+31 eine dunkle und feuchte Schlucht bildeten, sah meine Planung den Abriss des mittleren vor. Um die historische Substanz zu dokumentieren, wurden Mauerreste als geplante Ruine erhalten und der Giebelanschluss ans Vorderhaus sowie die ehemalige "Lucht" farbig abgesetzt.
Masse oder Klasse?
Dies war von Anfang an die entscheidende Frage bei der Entwicklung dieses Projektes. Der Schnitt aus den Bauakten des 1874 nach der Entfestung Stralsunds als erstem Steingebäude auf den frisch aufgeschütteten Hafeninseln erbauten Hafenspeichers weist eine geplante lichte Geschosshöhe von 2,2 m auf. Das Aufmaß ergab jedoch, dass dieses Maß als Bruttohöhe ausgeführt wurde und die lichte Höhe unter den Unterzügen nur 1,65 m betrug.
Daneben sprach noch Anderes für das komplette Ausräumen der Holzkonstruktion und die Herstellung von neuen Höhen durch schlanke Spannbetondecken. Viele Balken waren durch den Brand 2001 im Querschnitt stark vermindert und im EG wurde Schwamm gefunden. Auf der anderen Seite wäre dies nur zu Lasten der Erdgeschosshöhe möglich gewesen und in den Obergeschossen hätten die Räume Schuhschachteln geähnelt, die aufgrund der schönen Aussicht sicherlich trotzdem ihre Gäste gefunden hätten.
Die Entscheidung fiel zugunsten des Denkmales und die beiden niedrigen Speicherobergeschosse wurden zu einem zusammengefasst. Um den daraus resultierenden Verlust immerhin eines Drittels der vermietbaren Zimmer etwas zu kompensieren, wurden die Apartments des neuen Obergeschosses mit Schlafgalerien versehen.
Der Ort der Arbeit wurde zum Ort der Muße
Im Sommer 06 wurde der zu stark geschädigte Dachstuhl durch eine Zimmermannskonstruktion aus KVH mit Schlitz und Zapfen ersetzt. Weil die Mauerkronen ausgeglüht waren, wurde der Dachstuhl auf traufständige Fachwerkwände aufgesetzt, an denen dann später die erneuerten Fensterpfeiler des Dachgeschosses befestigt wurden. Das Dach erhielt eine Laterne nach dem historischem Vorbild eines Speicherfotos von 1905.
Von den verbrannten Balken wurde zunächst mit Spaten die Kohle abgeschoben und nach Überprüfung durch den Statiker mit am gleichen Bau gewonnenem Altholz ergänzt und verstärkt. November 08 konnte weitergebaut und im Herbst 09 der Betrieb als Hotel mit Bar, Bistro und Lehmsaunabereich aufgenommen werden.
Eine weitere schwierige Entscheidung betraf die Wärmedämmung. Natürlich reizte der Gedanke, in den Zimmern das rote Ziegelmauerwerk sichtbar zu lassen. Hierauf wurde zugunsten der Behaglichkeit in Wandnähe verzichtet und der Bau mit einer mineralischen Innendämmung versehen. Nur in einem Apartment am Südgiebel, im gesamten EG und im Treppenhaus konnte darauf verzichtet werden.
Die Fenster wurden als ungeteilte Rechteckfenster mit Übergröße von innen so vor die Stichbogenöffnungen gesetzt, dass von außen der Locheindruck der Fassade weitgehend erhalten und von innen das Stichbogenmauerwerk sichtbar blieb. Nur im EG wurden nach Befund wieder Fenster mit Stichbogen eingebaut.
Einfache Materialien und klare Gestaltung
Rotes Mauerwerk, gesandstrahlte Holzbalken, weiße Wände und Decken, erdfarbener Nadelvliesboden, Boden und Wände aus schwarzem und buntem Schiefer im EG, dem Saunabereich und den Bädern, unbehandelte Grobspanplatten in der Dachuntersicht und schwarzblanker Stahl mit Rost- und Arbeitsflecken prägen die Raumeindrücke.
Mit Betten, Tischen und Stühlen aus Buchenschichtholz, Schränken mit Spiegeltüren oder Birkenfurnier wurde bewusst auf Luxusappeal verzichtet. Barhocker, Stühle und Tische aus dunkel gebeiztem Hartholz betonen den Charakter des Gastraumes als Bar und Bistro. Das Stahlthema beginnt mit der Tresenverkleidung an der Rezeption, setzt sich fort in den Geländerwangen des Treppenhauses und findet sich wieder in den Badezimmerregalen. Auch die kastenförmigen Leuchten aus natur belassenem, handgeschöpftem Papier begleiten den Gast vom Eingang bis in sein Zimmer.
Das einhellige Lob der Gäste: stimmiges Ambiente, Liebe zum Detail und schöne Atmosphäre entschädigt auch nach eineinhalb Jahren noch für die lange und aufwändige Projektentwicklung und bestätigt die Anfangsentscheidung: Klasse statt Masse